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AutorenbildDavid Hahn

«Dat klingt gar nicht schlechter»

Aktualisiert: 26. Apr. 2021

Wetziker Kopfhörertester


Zeitungsartikel im "Züricher Oberländer" - 09.03.2020

David Hahn testet Kopfhörer und schreibt darüber. Er versteht, wenn das jemanden nicht interessiert, freut sich aber über das Gegenteil.


David Hahn kam zufällig zu seinem Hobby. (Seraina Boner)


Auf David Hahns Kommode steht eine kleine Karte von Berlin, Friedrichshain. Aufgewachsen ist er zwar in Lichtenberg, im Bezirk gleich daneben. Aber irgendwo in der deutschen Hauptstadt hat er auf jeden Fall fast alle seiner mittlerweile bald 30 Jahre gelebt.

Bevor er vor drei Monaten in dieser restaurierten Altbauwohnung – dunkle Balken, helles Parkett – in Kempten gelandet ist. Hahn, der auf dem Kopf ein Käppi, auf der Nase eine Hornbrille, in den Ohrläppchen und den Unterlippen silberne Ringe trägt, sagt also nicht «nicht», «was» und «das», sondern «ned», «dat», «wat».

Zum Beispiel: «So krass nerdig bin ich eigentlich gar ned». Aber, Hahns Hobby, «dat ist schon eine nerdige Angelegenheit».

Eigentlich sei er gar nicht so nerdig, sagt der Wetziker. (Seraina Boner)


«Dieser Name ist halt für den deutschen Markt schwierig.» David Hahn, Kopfhörer-Experte

Wenn man die Schublade unter der Friedrichshainer-Karte öffnet, stapeln sich dort Verpackungsboxen von Kopfhörern. In den Schubladen noch weiter unten: Verpackungsboxen von Kopfhörern.


Schubladen voller Köpfhörer. (Seraina Boner)


Vor zwei Jahren war Hahn der kopfhörertechnische Normalbürger: Er besass ein Paar. Das ging aber kaputt. Also brauchte er neue. Normalerweise wäre er als kopfhörertechnischer Normalbürger in den Media Markt, hätte sich neue gekauft, so in der Preisklasse 20 bis 50 Euro. Wieso er das vor zwei Jahren nicht tat, weiss er nicht mehr so genau. Aber Hahn bestellte sich dann auf der chinesischen Plattform Ali Baba solche für 8 Euro. Und fand: «Dat klingt gar nicht schlechter.»


Mit Mutti zur Blockflöte, mit Sunrise Avenue auf Tour


Das erstaunte Hahn. Er musste früher «mit Mutti zur Blockflöte», später hatte er Geigen und Saxophonunterricht, er war lange in einer Band, als Veranstaltungstechniker war er früher manchmal mit anderen auf Tour (unter anderem Sunrise Avenue, er versteht dass das nicht jeder mag, er selber hat so etwas wie ein musikalisches Stockholm-Syndrom entwickelt, sagt Hahn), er klimpert immer noch gerne auf seiner Gitarre.

Sprich: Hahn genoss eine musikalische Grundausbildung. Aber ganz sicher war er sich trotzdem nicht, ob er die Kopfhörer richtig einschätzt. Also wurden die Tontechniker in seiner Firma beigezogen. «Die haben alle gedacht, das seien mindestens 80-Euro-Kopfhörer».


Mittlerweile bekommt er von Firmen Kopfhörer zugesandt, um sie zu testen. (Seraina Boner)


«Wenn Firmen Dinge schreiben wie ‘wie ein stilles Wasser an einem Frühlingstag’ ja Freunde, ne, damit verarscht man doch den Kunden.» David Hahn


Diese Kopfhörer, mit denen alles begann, sind kleine schwarze Knubbel an kupferfarbigen Kabeln und liegen vor Hahn auf dem Tisch: Das Modell ATE-HIFI der Marke KZ – «Dieser Name ist halt für den deutschen Markt schwierig».

Hahns Ehrgeiz war geweckt, «danach wollte ich immer noch bessere, noch billigere Kopfhörer.» Nach einem halben Jahr begann er, über seine Suche zu bloggen, auf seiner Website Chi-Fiear kann man mittlerweile 137 Tests von In-Ear-Kopfhörern lesen. Anfangs konzentrierte er sich auf solche von asiatischen Herstellern, mittlerweile hat er sowohl dieses, wie auch das «Möglichst billig»-Kriterium aufgegeben, er testet mittlerweile auch am anderen Ende des Spektrums Kopfhörer für 1500 Euro.


«Ja Freunde, ne»


Hahns Testsystem funktioniert so: «Ich packe die aus, steck se in die Ohren und hör wat da kommt.» Dann macht er das ungefähr zwei Wochen mit diversen Musikstilen und zu diversen Tageszeiten (das ist offenbar wichtig, am Abend nimmt man zum Beispiel die Bässe ausgeprägter wahr, sagt Hahn), und schreibt auf, was er gehört hat. Zu blumige Beschreibungen sind dabei nicht so sein Ding. «Wenn Firmen Dinge schreiben wie ‘wie ein stilles Wasser an einem Frühlingstag’ ja Freunde, ne, damit verarscht man doch den Kunden.»

Wie viele Zugriffe er auf seinen Blog hat, weiss Hahn nicht, eine Domain hat er nie gekauft. Er sieht nur die ersten 1000 Besucher, die seine Seite im Monat hat. Es dauert jeweils so fünf bis sechs Tage, bis das erreicht ist. Würde hochgerechnet 5000 bis 6000 Besucher pro Monat bedeuten.


«Dat wäre dann ja einfach Werbung.» David Hahn


Brennend interessieren tun ihn diese Zahlen nicht. Und dass es viele nicht interessiert, was er da macht, das findet er auch nicht schlimm. Zum Beispiel konnte er nie jemanden in seinem engeren Freundeskreis dafür begeistern. «Is halt so, s’ interessiert dich oder ned. Bei Autos finde ich ja auch: Hauptsache dat Ding fährt.»


«Das ist doch schon süss»


Wenn es doch jemanden interessiert, findet Hahn das aber schon schön, «sonst könnte ich ja auch in mein Tagebuch schreiben». Seine Leserschaft schätzt ihn offenbar, über seine Website wird er mehrmals pro Woche kontaktiert, wenn auch «fast immer von den gleichen drei, vier Pappenheimern». Als er, beschäftigt mit seinem Umzug Berlin-Kempten, länger nichts veröffentlichte, erkundigte sich jemand, ob es ihm gut gehe, «das ist doch schon süss».

Auch bei den asiatischen Herstellern kennt man ihn mittlerweile, viele Modelle landen ungefragt in seinem Briefkasten. Manchmal bekommt er Modelle zum Testhören und Rückmelden und «joa dat ist schon Gratisarbeit, die ich da leiste.» Aber «Ne dat stört mich ken Bisschen, dat ist ja auch eine Wertschätzung.»

Was er nicht ganz verstehe, sei hingegen, wieso ihm auch Dinge wie eine iPad-Halterung zugeschickt würden. «Ich habe nachgefragt, mir wurde gesagt ‘nur so als Geschenk‘.» Er hat sie weiterverschenkt.

Andere Formen von Bezahlung akzeptiert er nicht. «Natürlich nicht. Dat wäre dann ja einfach Werbung», und er will auch gar kein Geld verdienen mit seinem Blog: «Ich glaube, dann würde das Pure verloren gehen. Dat will ich ned.»


(Xenia Klaus)

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Montag, 09. März 2020, 07:14 Uhr





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