Der dunkle Krieger mit einer soften Seite
Frequenzbereich: 15 - 25000 Hz | Schalldruckpegel: 103 dB | Impedanz: 26 Ohm | dynamisch
Der 99 NEO wird nicht zwingend den Geschmack derjenigen treffen, die den Classic schon zu basslastig fanden
Klang 7.8
Bass Mitten Höhen Bühne Imaging
8 8 8 7.5 7.5
Handling 8.5
Verarbeitung Komfort Ohrpads Kopfband Gewicht
9 8 7 9 260 Gramm
Gesamt 8
Preis 199 €
Quickcheck
Pro Contra - musikalisch - Mitten und Höhen fehlt es leicht an Biss
- bassbetont - bassbetont
- entspannte Signatur... - ...die manchmal etwas zu dunkel wirkt
- Leichtgewicht - Ohrpads etwas dünn und klein.
Intro
MEZE hat stets die Ambition, Design und Klang zu vereinen, sodass deren Produkte nicht nur funktional erbringen, wofür sie gemacht sind (Musikwiedergabe), sondern eben auch ein ästhetischer Anspruch dahintersteckt.
Da ich eher auf den funktionalen Aspekt wert lege, bemängle ich oft, dass dieser Teil bei manchen Herstellern zu kurz kommt und man dann zwar einen im Sonnenlicht funkelnden Kopfhörer mit einzigartigen Handmalereien von indianischen Ureinwohnern hat, aber sich im besten Fall auch eine Blechdose oder eine Muschel ans Ohr halten kann, wo dann das „Meeresrauschen“ immer noch natürlicher klingt als aus dem extravaganten Kunstwerk.
Für meinen Geschmack findet MEZE meist eine ganz gute Mischung, auch wenn mich der SOLO (IEM) klanglich nicht vollends überzeugen konnte, ebenso der 99 NEO.
Der 99 NEO ist der Nachfolger des 99 Classic und bereichert das Portfolio der Firma mit einen warmen, basslastigen und entspannten Klang, der allerdings genügend Energie mitbringt, um die L-Signatur musikalisch und lebendig zu gestalten.
Handling
Der 99 NEO ist nicht nur optisch sehr ansprechend, er gibt sich auch in der Verarbeitung keine Blöße. Einzige Schwachstelle ist vielleicht die Halterung der Ohrmuschel am Kopfband, aber das ist eher eine haptische „Schwäche“ als das die Materialien nachgeben würden.
Die Ohrpads könnten gerne ein klein wenig größer und tiefer sein, aber die Polsterung ist dafür außerordentlich bequem, auch wenn diese leicht auf dem (großen Ohr) aufliegt. Abhilfe schaffen hier andere Pads (z. B. die des Brainwavz HM5).
Auch wenn ich gerade bei der Polsterung der Ohrmuscheln sehr empfindlich bin, wenn zum Beispiel mein Ohr ans Innenleben stößt oder die Pads mein Ohr nicht vollständig umschließen, habe ich mit dem NEO auch nach Stunden keine großen Probleme, außer ein leichtes Druckgefühl. Das Kopfband passt sich durch Gummistrapper automatisch der Kopfform an und verteilt die 260 Gramm (was den 99 NEO auch zum Leichtgewicht macht) gleichmäßig auf dem Schädel.
Im Lieferumfang befindet sich ein robustes, stoffüberzogenes Kabel mit Mikrofon und Fernbedienung, welches links und recht am Kopfhörer über Mono-Klinke (3.5mm) angeschlossen wird. Dazu gibt es ein Flugzeug- sowie 6.3mm Adapter und eine kleine Stoffkiste für das Kabel. All das inkl. dem 99 NEO befindet sich in einem ansprechenden Hardcover-Case.
Mit 103 dB bei 26 Ohm spielt der 99 NEO äußerst effektiv und auch ohne Probleme am Smartphone.
Die Isolierung könnte dagegen etwas besser sein, zumindest was die Schallabgabe an die Außenwelt anbelangt. Direkte Nachbarn können im Bus oder der Bahn auch bei moderaten Lautstärken Musik erahnen und bei etwas mehr Pegel sicherlich mitsingen, falls sie den Song kennen. Nach innen ist die Isolation bei laufender Musik jedoch recht gut.
Klang
Bass
Der NEO bietet mir klanglich eigentlich genau das, was ich auch im Vorfeld erwartet habe. Einen musikalischen und vollen Klang. Dafür sorgt in erster Linie der Bass, der beim NEO klar die Hosen anhat. Leider fehlt es ihm manchmal an der nötigen Präzision und Festigkeit, sodass er auch mal mürrisch vor sich hin brummt, anstatt fest zuzuschlagen. Eigentlich etwas schade, da dieser Fakt der einzige schwerwiegende Punkt auf meiner Mängelliste des NEO ist, beziehungsweise sich wie ein roter Faden durch die Signatur zieht, zusammen mit der etwas eingeschränkten Bühnendimensionierung. Dennoch macht der Bass in Summe einen guten Job, da er trotz der klaren Erhebung nicht unverschämt überladen ist oder übermannend wirkt.
Hier empfehlen sich im Zusammenspiel auch etwas neutralere und kühlere Musikquellen, da Wärmere den Bass noch zusätzlich aufdicken könnten. Spaß macht er aber durch seinen kräftigen Punch allemal und er kann dabei auch feinere Passagen ohne allzu viel Übermut präsentieren. Dazu hat er eine ansprechende Sub-Basswiedergabe, wenn man den oberen Bereich mithilfe eines Equalizers etwas zurückschraubt.
Mitten
Die Mitten sind gleichermaßen entspannt, wie detailliert. Auch hier ist sicherlich die Musikalität das Stichwort. Allerdings werden sie vom Bass etwas zu sehr aufgewärmt, vor allem wenn Musik viel „dröhnenden“ Oberbass bereitstellt. Generell sind Bass-Gitarren etwas zu fett und boomig. Das schmälert die Gesamtperformance der Mitten etwas, auch wenn es hier auf das Genre und Mastering ankommt. Das Problem ist aber eher das Zusammenspiel des Oberbasses mit den unteren Mitten, wodurch manches zu fett und hervorgehoben klingt. Da würde ich mir etwas mehr Direktheit und Festigkeit wünschen. Nach oben hin klaren die Mitten gut auf und haben einen lebendigen Charakter. Stimmen klingen etwas zu warm, aber noch authentisch.
Wer auf sehr körperliche Mitten steht, die aber dennoch mit einem guten Detailumfang und Transparenz punkten können, vor allem bei weniger bassintensiver Musik, findet hier vielleicht was er sucht. Mir sind sie aber manchmal etwas „hohl“. Grellheit oder andere fiese Peaks sind nicht auszumachen.
Höhen
Die Höhen gliedern sich in den entspannten, warmen und weicheren Klang des 99 NEO ein. Ihnen fehlt es etwas an Biss und sicherlich auch an Brillanz, aber dennoch fehlt es ihnen nicht zwingend an Lebendigkeit. Viel mehr zurücknehmen dürften sie sich aber nicht, sonst würde der 99 NEO in die absolute Dunkelheit abrutschen. Sie halten ihn also mehr oder weniger am Leben. Sibilanten oder unangenehme Härte sind ein Fremdwort für den NEO. Auch wenn Becken gerne noch etwas griffiger klingen könnten und es manchmal im Hochton dünner wird, kann ich mich über die Informationsvielfalt nicht beklagen. Mann muss allerdings etwas genauer hinhören, damit einem nichts entgeht.
Bühne
Die Bühne wird euch nicht rückwärts vom Sessel kippen lassen, denn sie hat mehr einen Studiocharakter als Liveeventfeeling. Dafür ist sie in der Tiefe gleichermaßen gut aufgestellt wie in der Breite, auch wenn es in beiden Fällen Limitierungen gibt.
Imaging
Das Imaging kann durch die gute Ausnutzung der einzelnen Achsen und eine ansprechende Aufgliederung auf verschiedene Ebenen ein gutes 3D-Bild vermitteln, wenn der Songs so produziert wurde. Allerdings sorgt der Bass dafür, dass in der Separation nicht die feinste Klinge ausgepackt wird, da er manchmal etwas brummig agiert. Jedoch lassen sich Instrumente und Details gut orten, auch wenn es mal hektischer zur Sache geht.
Outro
Ich habe leider keinen Vergleich zum MEZE 99 Classic. Allerdings kann ich aufgrund der MEZE-eigenen Werbung ableiten, dass der 99 NEO nicht zwingend den Geschmack derjenigen treffen wird, die den Classic schon zu basslastig fanden. Auch wenn Optik und Klang nicht zwingend zusammenhängen, kann das Erscheinungsbild eines Kopfhörers schon einen Hinweis auf den zu erwartenden Klang bringen, vor allem wenn das Design bewusst als Unterstützung vom Hersteller genutzt wird.
Der 99 NEO wirkt auf mich robust und kraftvoll (vor allem durch das Kopfband und der silbernen Halterungen). Wie ein Krieger, der stets in der Dunkelheit angreift.
Das spiegelt sich für mich auch direkt im warmen und eher dunkleren Klang wider, der aber dennoch recht musikalisch ist und trotzt seines körperlichen Charakters nicht erdrückend wirkt.
Etwas mehr Biss und Festigkeit würde ich mir noch wünschen, vor allem im Keller, aber der NEO ist für mich ein gutes Beispiel, wie eine harmonisch abgestimmte L-Signatur klingen kann, wenn auch für meinen Geschmack etwas zu entspannt. Trotzt der Bassbetonung haben Mitten sowie Höhen noch genügend Luft zum Atmen und der audiophile Anspruch kommt nicht zu kurz. Für mich performt er übers ganze Frequenzband hinweg in einem guten Bereich innerhalb der angestrebten Signatur. Ein paar dB weniger im Tiefton können jedoch Wunder bewirken.
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