Kein Wunderkind, aber konkurrenzfähig - AKGs geschlossenes Flagship
Frequenzbereich: 5 - 54000 Hz | Schalldruckpegel: 112 dB | Impedanz: 36 Ohm | dynamisch
Eines sollte man beim K872 im Hinterkopf behalten. Er wird wohl nicht beim ersten Eindruck überzeugen, sondern man sollte sich durchaus etwas Zeit nehmen, um sich mit seiner Signatur und Klangpräsentation vertraut zu machen.
Klang 8.5
Bass Mitten Höhen Bühne Imaging
8.5 8 8.5 8.5 9
Handling 8.5
Verarbeitung Komfort Ohrpads Kopfband Gewicht
10 7 6 8 390 Gramm
Gesamt 8.5
Preis 975 €
Quickcheck
Pro Contra - Isolation - Mittenpeak
- gute Separation - Sitz der Ohrpads
- Detailwiedergabe - etwas fehlende Erweiterung an beiden Enden
- warmer, neutraler Klang - tonale Schwankungen
Intro
Dass die Transformation eines offenen Kopfhörers in einen geschlossenen nicht so einfach ist, zeigt AKG mit seinem K872, welcher auf den K812 folgt. Ich kann sicherlich nicht beurteilen, ob es sich hierbei auch um denselben Treiber handelt, aber ich nehme es stark an.
Der K872 kann mich nicht auf Anhieb begeistern, auch wenn ich mir beim K812 etwas mehr Wärme und einen potenteren Bass gewünscht habe, was ich beim K872 bekomme. Dennoch hat er für meinen Geschmack das Nachsehen, wenn es um die Klangqualität geht. Ein guter Kopfhörer ist er jedoch ohne Frage.
Handling
Die Bauform gleicht der des K812, mit dem wesentlichen Unterschied der geschlossenen Ohrmuscheln. Das verleiht dem K872 ebenso eine sehr edle und vor allem robuste Anmutung. Die verwendeten Materialien sind absolut stimmig und schaffen ein sehr ansehnliches Gesamtbild.
Das Kopfband ist bequem und lässt sich intuitiv an den Seiten der Kopfform anpassen. Es besteht aus Leder, hat aber ein luftdurchlässiges Gewebe eingenäht, was vor allem für den längeren Gebrauch Sinn macht.
Beim K872 kommen im Grunde dieselben Ohrpads wie beim K812 zum Einsatz, jedoch sind sie etwas unterschiedlich gefüttert, sprich an einigen Stellen dicker (unterm Ohr). Ein Problem, was sich hier feststellen lässt, ist die Variation des Basses, je nachdem wie gut die Pads sitzen. Bei häufigen Gebrauch (schnelles und gröberes Auf- und Absetzten) kann sich das "Gehäuse" verbiegen und dadurch nicht mehr eng genug anliegen. Das kann den Klang sehr beeinträchtigen und muss gegebenenfalls wieder in Form gebracht werden. Beim K812 spielt dies durch seine offene Bauweise eine geringere Rolle. Ebenso finde ich den K872 aufgrund der leicht abgeänderten Dicke der Ohrpads als auch der Wärmeentwicklung weniger angenehm zu Tragen als den K812.
Das Gewicht des K872 ist für mich persönlich kein großes Kriterium, aber sicherlich gibt es da auch andere Meinungen, vor allem wenn man ihn unterwegs benutzen will, was durch seine geringe Impedanz sogar am Handy mit entsprechenden DAC (auch ohne) möglich ist. Das abnehmbare Kabel misst gute 3m und besitzt zum Kopfhörer hin eine 3-polige LEMO-Steckverbindung, sowie einen vergoldeten 3,5 mm Klinkenstecker, für welchen selbstverständlich auch ein 6.3mm Adapter beiliegt. Im Gegensatz zum K812 ist die Isolation aufgrund der geschlossenen Bauweise wesentlich besser gegeben. Manchmal habe ich jedoch das Gefühl einer Vakuumbildung und warm wird es unter dem K872 auch. Durch die etwas fragwürdigen Ohrpads oder der möglichen Gehäuseverformung kann es hier starke Schwankungen geben.
Anstatt der schönen Kopfhörerhalterung aus Holz (K812) bekommen wir beim K872 eine Transportbox, welche sicherlich nicht als Hingucker dient. Es erfüllt zwar seinen Zweck und macht den K872 mobiler, aber es ist nicht sonderlich ästhetisch.
Klang
Bass
Ich habe mich ein bisschen auf den K872 gefreut, war ich doch der Annahme, er würde meinen Wunsch nach tieferen und punchigeren Bass im Vergleich zum K812 erfüllen. Nun, er hat mehr Quantität und spendet der Signatur deutlich mehr Wärme, allerdings besitzt er keinen erweiterten Tiefgang und lässt mich in diesem Bezug etwas enttäuscht zurück. Dennoch hat der Bass Klasse, da er eine gute Textur und ein natürliches Ansprechverhalten aufweist. Der dynamische Treiber des K872 macht hier seinem Namen alle Ehre. Er hat Authentizität und besteht in allen Genres, auch wenn mir das gewisse Etwas fehlt. Er ist aber keinesfalls als Basskanone zu verstehen, da er sich mehr an Neutralität hält, mit Mittenbassbetonung. Einzige Mankos sind der Subbass und die Schwankung der Bassperformance im Zusammenhang mit dem Sitz der Ohrpads. Schon eine Brille sorgt hier für eine geringe Bassquantität, was dadurch auch den Klang für mich negativ beeinflusst.
Mitten
Die Mitten sind beim K872 wohl der größere Kompromiss, den man eingehen muss. Ich finde Stimmen ab und an leicht nasal, aber vor allem spielt hier ein "schriller" Peak rein, der zwar recht zufällig auftritt, aber wirklich unangenehmer werden kann (Beisp.: Linkin Park - Wasteland). Das ist mir so beim K812 nicht aufgefallen.
Den Mitten tut die zusätzliche Wärme gut, da es ihnen etwas mehr Fülle, Lebendigkeit und "Echtheit" gibt. Dennoch sind sie flacher/neutral gehalten, haben eine sehr angenehme Präsenz und als V-Shaped ist der K872 ist sicherlich nicht zu bezeichnen. Das würde seinem eigenen Anspruch als Tool zum Monitoring und Mixing auch nicht gerecht werden.
In Summe sind die Mitten manchmal aber etwas irritierend, da sie nicht immer die gewünschte Konstanz aufweisen, was den absoluten High-End-Anspruch anbelangt. Technisch sehr hochwertig, aber tonal kann es hier und da zu Schwankungen kommen. Zudem sagt mir die mehr im Mix positionierte Stimmenpräsentation nicht vollends zu. Meckern auf hohem Niveau.
Höhen
Der Hochton ist beim AKG K872 für mich sehr gut gelungen. Er besitzt nicht die leichte Schärfe des K812, kann aber trotz der entspannteren Spielart Details sehr gut herausarbeiten. Allerdings geht ihm etwas die Luftigkeit und auch die Transparenz abhanden. Dies nehme ich aber als Kompromiss aufgrund der besseren Durchhörbarkeit in Kauf. Sibilanten sind durch den abgesenkten 6 kHz Peak des K812 kein Thema mehr. Ein runder und nur in äußerst seltenen Fällen fordernder Hochton, der eine beachtliche Auflösung besitzt. Im Top-End hat der K812 aber die Oberhand und ist ebenso detailverliebter.
Bühne
Die Bühne macht dem K812 keine Konkurrenz, aber sie ist mit eine der Räumlichsten die ich hören durfte, wenn es um geschlossene Kopfhörer geht. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass die Treiber wie auch beim K812 einen relativ großen Abstand zum Ohr haben.
Imaging
Der K872 klingt in Summe etwas organischer und auch musikalischer als der K812. Der Bass ist hier wohl das ausschlaggebende Kriterium, aber ebenso die geschlossene Bauweise.
Der K812 versteht es absolut jedem Instrument seinen Raum zu geben und hat eine beeindruckende Dreidimensionalität, der K872 hingegen setzt hier mehr auf ein harmonisches Klangbild, welches etwas natürlicher wirkt und auch eine willkommene Intimität bei Stimmen bietet. Dennoch vermisse ich die Offenheit und die absolute Übersicht des K812, egal wie hektisch es wird. Der K872 hat aber für einen geschlossenen Kopfhörer starke technische Qualitäten, was die Bildgebung anbelangt.
Outro
Eines sollte man beim K872 im Hinterkopf behalten. Er wird wohl nicht beim ersten Eindruck überzeugen, sondern man sollte sich durchaus etwas Zeit nehmen, um sich mit seiner Signatur und Klangpräsentation vertraut zu machen. Vor allem wenn man zuvor andere AKG-Vertreter, wie den Q/K701, K702, oder K812 gehört hat, wird man zu Beginn etwas irritiert sein.
Der K872 ist vollmundiger und nicht so hell wie die Genannten. Dennoch hört man sich schnell in den Kopfhörer rein und erkennt auch die AKG-Haussignatur.
Einen K812 in geschlossener Bauweise bekommt man nicht. Ebenso ist der K872 für mich kein absoluter Allrounder durch die Mittenpräsentation und die Bassabhängigkeit im Zusammenhang mit der Abdichtung ist für mich ein Problem, da ich Brillenträger bin.
Danke an Sattler Electronic Showtronic AG für die Zurverfügungstellung der Test-Kopfhörer.
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